Gesamtzahl der Seitenaufrufe

17. April 2017

Nachwort "Ich heiße Vianne!"



Montag, 10. August 2015

Sie ist fort! Vianne, so wie wir sie kannten, ist gegangen. Auch wenn sie immer bei uns sein wird, ganz fest in unseren Herzen, so zerreißt mich der Gedanke, nie wieder ihren Duft atmen zu können, sie nie wieder streicheln und küssen zu können, ihr nie wieder durch ihr Haar fahren zu können, sie nie wieder in ihrer vollen Lebendigkeit Lachen, Kichern, Schimpfen, Verhandeln zu hören, sie nie wieder durchs Haus toben zu sehen. Sie soll nur noch ein einziges Mal laut und kräfig in die Welt schreien "Ich heiße Vianne!" Was würde ich dafür geben, sie noch einmal mit all meinen Sinnen einzuatmen...
Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Es ist schwer. Ich denke, ich werde weiter schreiben. Ich weiß nicht wann, ich ahne wie, ich weiß nur, dass ich es jetzt noch nicht kann. Aber das Schreiben tut mir gut, ist heilsam, und hat so viel Gutes angestoßen, so viele Dinge ins Rollen gebracht - auch dank euch!
Ich möchte Danke sagen. Danke für euer "Mitfiebern". Danke für euer Mitgefühl. Danke für eure aufmunternden Worte. Danke für eure "Gedankenanschubser". Danke für eure Mitmenschlichkeit. Danke (an unsere Freunde) für eure Freundschaft. Und vor allem Danke an unsere Familie. Ihr alle habt mit uns gekämpft, gebangt, geweint, gelacht, gehofft, geflucht, geschrien, gezweifelt, aufgefangen und ganz viel gegeben. Auch so viele Institutionen (Klinik, Kindergarten, Schule, Behörden, Krankenkasse, Kirche...) haben es uns oftmals leicht gemacht, sich über das Maß engagiert und unbürokratisch gehandelt, so dass wir den Rücken frei hatten für die wirklich wichtigen Dinge. Es läuft nicht immer alles rund - aber vieles läuft bereits gut, und wenn es einmal nicht so gut läuft, sollten wir uns alle dafür einsetzen und dazu beitragen, dass es besser wird. Aufgrund der in Deutschland wirklich guten medizinischen Versorgung und den greifenden Hilfssystemen wie den Palliativdiensten und der Pflege durften wir sechs Jahre und drei Monate mit Vianne erleben...für uns eine  unbeschreiblich wertvolle Zeit.
"Wir haben Zusammenhalt erfahren in den dunklen Momenten. Liebe und Hilfsbereitschaft haben uns getragen... Ich heiße Vianne!“

Rückblick! Der letzte Urlaub...Teil III



Sonntag, 5. Juli - Donnerstag, 9. Juli 2015


Sonntag in der Früh erbrach sich Vianne am Hopfensee mehrmals nacheinander, sie weinte, sie hatte Kopfschmerzen. Wir machten uns schreckliche Sorgen, gaben ihr Zofran gegen Übelkeit, Novalgin gegen Kopfschmerzen, legten ihr einen kühlen Waschlappen aufs Köpfchen, denn es war bereits wieder unglaublich warm - über 30 Grad Celcius. Wir mussten den Campingplatz bis 11 Uhr räumen, also packten wir unsere Sachen zusammen, während sich Vianne ausruhte. Wir hatten keinen Plan, wohin die weitere Reise gehen sollte. Zudem hatten wir Luke versprochen, auf dem Hopfensee Kanu zu fahren. Nun waren wir in einer Zwickmühle: Vianne ging es nicht gut, Luke beharrte auf seinem Recht, zumal wir ihn am Vortag schon vertröstet hatten. Also willigten wir die Paddeltour schweren Herzens ein. Der Kanuverleih lgag nicht weit entfernt vom Campingplatz. Wir parkten das Wohnmobil auf dem öffentlichen Parkplatz am See, setzten Vianne in den Buggy, kühlten weiterhin ihr Köpfchen und nahmen zur Sicherheit auch noch die Brechschüssel und ihr Medizin-Pack mit. Nahe des Kanuverleihs suchten wir uns ein schattiges Plätzchen, wo Vianne sich auf ein Badetuch kuscheln konnte. Unterdessen liehen sich Micha und die übrigen Kinder zwei Kanus: Micha fuhr mit Ada, Jesse mit Luke. Vianne schien sich etwas zu erholen, Übelkeit und Kopfschmerz machten eine kleine Pause. Eigentlich war es eine gute Idee, noch etwas Zeit am See zu verbringen. Zum einen wussten wir eh nicht so recht, wo es hingehen sollte, zum anderen wollten wir ungern in diesem Zustand mit ihr fahren. Nach der Hälfte der Zeit löste ich Micha im Kanu ab. Nach beendeter Tour fragten wir den sympathischen Kanubesitzer, welcher See in der weiteren Umgebung zu empfehlen wäre. Aufgrund des guten Wetters und der Nähe zu München riet er uns vom Walchen- und Chiemsee ab. "Momentan zu überlaufen", so sein Kommentar. Da würden wir sicherlich keinen Stellplatz direkt am See kriegen. Und tatsächlich: die telefonische Bandansage diverser Campingplätze teilte uns freundlich mit, dass alles belegt sei. Da kam uns der Achensee in den Sinn, kurz hinter der Grenze, in Österreich. Wir erreichten leider nur den Anrufbeantworter, auf dem wir eine Nachricht hinterließen. Auf gut Glück fuhren wir erst einmal gen Westen Richtung Walchensee. Zur Not würden wir einfach an einem kleineren, unbekannten See campieren. Doch schon nach halbstündiger Fahrt rief uns die Dame vom Achensee-Camping zurück. Sie hätte noch etwas frei. Also auf zum Achensee - obwohl mir nicht so richtig wohl dabei war, mit Vianne gerade jetzt Deutschland zu verlassen. Doch wir hatten so schöne Erinnerungen an den See, und die Grenze lag wirklich zum Greifen nah. Die Fahrtstrecke war relativ kurz und schön: vorbei am Tegernsee, durch Bad Tölz und immer an der grünen Isar entlang, dann über den Achensee-Pass rüber nach Österreich. Vianne ging es die Fahrt über ganz gut, zumal das Wohnmobil eine prima Klimaanlage hatte. Der kleine Campingplatz direkt in Achenkirch, den wir noch von unserer Gardasee-Tour vor sieben Jahren in Erinnerung hatten, hatte sich mittlerweile zu einem 5-Sterne-Ressort entwickelt, sich aber trotzdem noch seinen Charme behalten. Zusätzlich gab es nun einen toll angelegten Wasserspielplatz und direkt daneben einen Abenteuerspielplatz, beides in unmittelbarer Seenähe, einen kleinen Indoorspielbereich und ein nettes Restaurant mit Dachterrasse.

Bei der Ankunft am Nachmittag wirkte Vianne allerdings müde und geschafft - sie wollte noch nicht einmal´zum (Wasser)Spielplatz, während für Ada und Luke kein Halten mehr war. Irgendwann rappelte sie sich dann doch auf. Während Ada über die Wiese preschte, schlich Vianne zart und zerbrechlich und wacklig hinterher. Ich konnte all meine Tränen - Tränen des Mitleids, der Sorge, der Wut, der Verzweiflung, der Ungerechtigkeit, der Hilflosigkeit - nicht mehr zurückhalten. Vianne tat mir in diesem Moment so unendlich leid - hier inmitten all dieser lebendigen, glücklichen, energiegeladenen, lachenden Kinder. Diese Krankheit war fies, gemein, kaltherzig, erbarmungslos, grausam. Sie hielt Vianne davon ab, unbeschwert spielen zu dürfen, ohne Einschränkung, ohne Schmerz. Am Abend ging es ihr endlich etwas besser, und auch ich blühte dadurch förmlich auf. Lautstark forderte sie eine Pommes (mit Majo und Ketchup), die sie kurz darauf genüßlich verspeiste. Von einer Minute auf die andere wurde alles wieder leichter. Vor Erleichterung und um ihr ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern, kauften Ada und ich zwei "Little Ponys" im Camping-Shop: ein gelbes für Ada, ein rosafarbenes für Vianne. Vianne bestand darauf, persönlich noch einmal den Laden aufzusuchen, um zu schauen, ob wir die richtige Wahl getroffen hatten. Prüfend besah sie sich die anderen Ponys - und zeigte sich zufrieden. Später am Abend spielte ich noch mit den Jungs Federball, nachdem Micha und ich die kleinen "Mäuse" ins Bett gebracht hatten. Anschließend veranstalteten wir noch lustige Mutproben am See. Luke stand am Stegende: Er hatte drei Steine in der Hand. Wenn er eine von Jesse und mir gestellte Frage nicht beantworten kann (natürlich seinem Wissensstand entsprechend oder Scherzfragen), muss er einen Stein ins Wasser werfen. Wenn er keinen Stein mehr übrig hat und die richtige Antwort nicht weiß, dürfen Jesse und ich ihn in den Achensee schmeißen - und der ist verdammt kalt! So die Spielregel. Unter lautem Protest landete Luke letztendlich mit einem großen Platscher im See. Am nächsten Abend war Jesse dran...er hat nicht damit gerechnet, dass Luke sich so gut in der Tierwelt auskennt.

Vianne baute im Laufe dieses Urlaubs stetig ab. Das wurde uns am Achensee so richtig vor Augen geführt. Auch am nächsten Tag, am Montag, 9. Juli, wirkte sie weiterhin erschöpft und kraftlos, wollte weder baden noch schwimmen noch spielen. Später am Tag wanderten wir zu einem nahe gelegenen Gebirgsbach, der aber leider ausgetrocknet war. Die Kinder murrten. Vianne schoben wir im umgebauten Fahrradanhänger. Sie sprach kaum ein Wort. Unterwegs trafen wir auf Almkühe und freilaufende Pferde - mitten im Wald. Ada war begeistert, ging sofort auf die Pferde zu, streichelte sie und wusste kaum wohin mit ihrer Freude.

Vianne saß müde in ihrem Anhänger und blickte teilnahmslos zu den Tieren. In diesem Moment wusste ich, dass wir ganz schnell zurück nach Deutschland mussten. Ich bekam Gänsehaut, mitten in der Sonne. Vorzeitig kehrte ich auf ihren Wunsch mit ihr zum Wohnmobil zurück. Micha kam mit den anderen Kindern etwas später nach, sie wollten noch einmal an anderer Stelle nach dem Bach schauen.

Die Nacht verlief zum Glück relativ ruhig. Ich horchte die ganze Zeit nach ihr. Am Dienstagmorgen spuckte sie wieder, weinte vor Kopfweh. Kurzerhand brachen wir unsere Zelte ab. Ursprünglich wollten wir uns noch mit Bekannten in München treffen, aber Viannes Zustand machte uns solche Sorgen, dass wir kurzerhand absagten. Wir wollten unbedingt wieder näher an Heidelberg kommen, Vianne aber andererseits eine nicht allzu lange Fahrt zumuten. Wir entschieden, einen Zwischenstopp auf einem Bauernhof in der Nähe von Ulm und dem Legoland einzulegen, wo wir Ende April Adas und Viannes Geburtstag gefeiert hatten. Auf der Fahrt dorthin schrie Vianne einige Male vor Schmerzen auf. Immer und immer wieder gaben wir ihr die Schmerztropfen, unsere Nerven lagen blank. Ich wechselte mit Jesse den Platz, um neben ihr zu sitzen. Irgendwann verabreichten wir ihr das erste Mal die Morphin-Tropfen - 13 Stück. In Ulm angekommen, legten wir sie auf eine Decke im Schatten des Wohnmobils, wo ein leichter Wind wehte. Luke kuschelte sich eng an sie und schaute mit ihr "Wolkenbilder". Sie schlief lange. Gegen Abend wurde sie aktiver und besuchte noch mal mit mir die Spielscheune. Hier saß sie vor noch nicht einmal zweieinhalb Monaten lachend auf dem Holzpferd, hatte sich mit uns in die rasante Wasserbahn im Legoland getraut, stand allein auf Inlinern - in ihrer jetzigen Verfassung unvorstellbar. Wir beschlossen, am nächsten Tag, Mittwoch, 8. Juli, nach Heidelberg zurückzufahren, noch eine Nacht an der Wakeboardanlage zu verbringen, in Ruhe das Wohnmobil zu säubern und es am Donnerstagmorgen vorzeitig abzugeben. Mittwochmorgen ging es Vianne scheinbar wieder besser. Sie biss sogar in ihr Frühstücksbrötchen. Wir schauten uns noch kurz Ulm an und entdeckten einen coolen Skate-, Surf- und  Snowboardladen. Ada verliebte sich sofort in ein knallrosa Shortboard - für schlappe 230 Euro - und machte einen Affentanz, weil wir es ihr nicht kaufen wollten. Vianne schaute sich interessiert um, bewunderte Schmuck und Portemonnaies und Schuhe und alles was glitzerte. Noch auf dem Weg zurück zum Auto wurde sie wieder müde. Auf der Autobahn kamen wir immer wieder in einen Stau - und Vianne baute ab, weinte wieder vor Schmerz, schrie wiederholt auf. Kurz vor dem Campingplatz am Leoner See musste sie sich erneut  schrecklich übergeben. Vor lauter Angst und Anspannung hatten Micha und ich uns kurz zuvor auch noch lautstark gestritten. Wir waren so hilflos. Wir riefen Martin und Petra an (die ursprünglich zum See kommen wollten) und baten sie darum, uns bei ihnen zuhause zu treffen. Dort verbrachten wir die letzte Nacht unseres Urlaubs. Hier schließt sich der Kreis.












Rückblick! Der letzte Urlaub...Teil II



Dienstag, 30. Juni - Sonntag, 5. Juli


Der Hopfensee liegt sanft eingebettet zwischen Feldern, Wiesen, Wald und Schilfgras, im Hintergrund die beeindruckende Alpenkulisse. Bisher kannten wir das Allgäu nur von der Durchreise in den Skiurlaub - ein schönes Fleckchen Erde. Wir alle fühlten uns auf Anhieb wohl auf dem Campingplatz direkt am See. Wir bekamen einen guten Stellplatz nah am Wasser. Während Micha und ich uns einrichteten, machten sich die Kinder auf zum Badeplatz und kamen etwas später zufrieden grinsend zurück. Es gefiel ihnen. Ursprünglich hatten wir den Platz nur bis Donnerstag gebucht, wir verlängerten aber bereits bei der Ankunft bis Sonntag, weil wir uns hier einfach "sauwohl" fühlten. Die nächsten Tage warfen wir uns abwechselnd vom Steg ins Wasser, strolchten durchs Schilf auf der Suche nach Schätzen (Seerosenblatt, Fische...), paddelten auf unserem aufblasbaren Hai (Jesse hatte ihn extra für die Mädels aus Füssen besorgt) oder dösten auf unseren Badetüchern bei über 30 Grad Celsius. Wir lachten uns schlapp, weil jemand am See Michas Uralt-Badelatschen (die vorne schon von der Katze angeknabbert waren), mitgenommen hatte. Wir frühstückten spät und ausgiebig und bereiteten uns abends leckere Kleinigkeiten im Wohnmobil oder draußen auf dem Grill zu.

Der Campingplatz hatte viel zu bieten: eine große Indoorspielhalle, einen Tennisplatz - über den mich Jesse gnadenlos in der Abendsonne jagte und natürlich haushoch gewann - ein schönes Hallenbad mit Blick auf das Alpenpanorama, ein Zwergerl-Bad für die kleinen Schwimmmäuse, Kino, Wellness, Bastelangebote... Vianne ging es relativ gut, aber sie war schnell müde. Während Luke und Ada durch die Spielhalle tobten, erkundete sie sehr verhalten die Geräte, mied Trampolin und Rutsche und orientierte sich eher an dem Spielbereich für jüngere Kinder. Wieviel Kraft ihr das alles abverlangt haben muss... und trotzdem war sie mit dabei. Auch im See badete sie selten, sie ging lieber nur mit den Füßchen ins Wasser, obwohl es so unglaublich heiß war. Sie war mittlerweile so dünn geworden. Sie futterte zwar nach wie vor ihre Pommes, trotzdem schien sie immer weniger zu werden, wahrscheinlich von dem immer wiederkehrenden Erbrechen der letzten Tage/ Wochen (obwohl ihr am Hopfensee etwas Ruhe gegönnt war) oder von der Krankheit an sich. Vielleicht war ihr der See einfach zu kalt, weil sie so dünn war. Oder der unebene Untergrund machte ihr zu schaffen und sie fühlte sich unsicher. Also blieb einer von uns mit ihr am Seeufer, während die Übrigen badeten. Aber auch das war lustig. Wir holten uns einfach zwei Wassereimer zu unserem Liegeplatz und ließen Adas kleine Hunde und Viannes kleine Katzenfiguren darin schwimmen. Sie kicherte so herzlich, wenn die Tiere "Blödsinn" machten. Ich dachte mir immer neue Abenteuer mit der Hunde- und Katzenfamilie aus, weil ich ihr helles Lachen weiter hören wollte. Es war ein schöner Moment am See... Später wollte Vianne unbedingt ins Hallenbad. Wir machten uns zu zweit auf, nur sie und ich. Im Hallenbad hatte sie keine Scheu, ins Wasser zu gehen. Seelig ließ sie sich mit ihren Schwimmärmchen treiben und spielte im Zwergerlbad mit dem Wasserrad oder kletterte auf die kleine Burg im Becken. Sie wirkte zufrieden und entspannt und ich genoss jede Sekunde mit ihr, zog sie durchs Wasser, spürte ihre kleinen Ärmchen um meinen Hals. Zufrieden kehrten wir zum Wohnmobil zurück. Die übrigen Kinder protestierten natürlich lautstark, dass wir sie nicht mitgenommen hatten. Aber ich brauchte diesen Moment allein mit Vianne. Wir holten den Schwimmbadbesuch mit allen am nächsten Tag nach.

Der Urlaub war schön und seltsam zugleich. Es herrschte Urlaubsstimmung, und gleichzeitig war da die ständige Angst und Sorge um Vianne und das nüchterne Wissen, dass sie bald sterben wird - auch wenn wir daran keinen Gedanken verschwenden wollten. Aber unsere Notfall-Medizintasche war unser ständiger Begleiter.

Für zwei Tage liehen wir uns Fahrräder am Hopfensee aus: Vianne saß im Anhänger, Ada hatte ein Fahrrad, das wir an meinem anhängen konnten. So machten wir uns auf Richtung Neuschwanstein. Wir fuhren durch schattige Wälder, vorbei an Kuhweiden und Wiesen. In Füssen radelten wir mit unseren Rädern zur Abkühlung unter dem Springbrunnen durch  (sich drehende Stelen, aus denen Wasserfontänen spritzten) - Vianne quietschte, Ada beschwerte sich lautstark. Schließlich kam Schloss Neuschwanstein in Sicht. Der Parkplatz unterhalb des Schlosses war uns zu touristisch, auch wollten wir das Schloss nicht von innen betrachten. Deshalb fuhren wir weiter zur nahe gelegenen Bergbahn, raus aus dem Gewühl. Unterwegs kamen wir an einem klaren, kalten Gebirgsbach vorbei - wir lieben diese Bäche - und ließen uns dort erst einmal nieder. Die Jungs bauten Staudämme, Ada ging auf Entdeckungstour, ich saß mit Vianne auf einem Felsen im Schatten und wir ließen unsere Füße in den Gebirgsbach baumeln. Dermaßen erfrischt ging es schließlich weiter. Noch vor der Talstation entdeckten wir eine idyllische Berghütte, von deren Terrasse aus man einen noch schöneren Blick auf das Schloss hatte. Wir futterten Schmalzbrote und Gulaschsuppe. Die nette Wirtin teilte uns mit, dass die Bergbahn schon bald schließen würde, so dass wir besser an einem anderen Tag hochfahren sollten. Also machten wir uns irgendwann wieder auf den Rückweg zum Campingplatz, wo die Kinder noch am Abend in den See hüpften. Vianne fühlte sich zwar wohl im Fahrradanhänger, brauchte aber nach dem Ausflug erst einmal ein wenig Ruhe.

Am nächsten Tag schwangen wir uns wieder auf die Räder und fuhren direkt zur Tegelbergbahn, um mit der Gondel auf den Gipfel zu fahren. Ich hatte im Vorfeld im Krankenhaus nachgefragt, ob der Höhenunterschied bei Vianne Probleme verursachen könnte, aber die Ärzte gaben uns grünes Licht. Also nichts wie rauf auf den Berg. Der Ausblick war grandios: unzählige Seen, zahlreiche Paraglider, die Zugspitze... Wir schoben Vianne in dem umgebauten Fahrradanhänger immer weiter den Bergpfad hinauf. Oben machten wir ein kleines Picknick. Vianne wirkte so vergnügt. Sie guckte uns verschmitzt an und rief auf einmal lauthals: "Es schneit, es schneit, der Winter ist da." Dann gluckste sie vor Lachen. Sie hatte diesen Ausruf einmal auf einer Kinderhörspiel-CD gehört. Ein kleiner Junge fragt seinen Vater, ob er sich traut, mitten im Sommer lauthals "es schneit, es schneit..." zu schreien. Wir lachten und konnten gar nicht mehr aufhören zu lachen. Während Micha sich mit Luke, Ada und Vianne wieder an den Abstieg machte, kletterten Jesse und ich über einen Klettersteig bis zum Gipfelkreuz hoch. Nach einer kleinen Stärkung auf der Bergstation-Hütte fuhren wir gemeinsam wieder ins Tal und über den Forggensee zurück zum Campingplatz. Vianne wirkte auf einmal schlapp und müde, so dass wir uns beeilten.

Fortsetzung folgt! 















Echtzeit! Beisetzung



Wir möchten all denjenigen, die immer mit dem Herzen bei Vianne und uns sind, die Möglichkeit geben, Abschied zu nehmen:
"Eine seichte Berührung von dir, zart wie ein Flügelschlag, ein Blick, ein Wort, ein Lächeln - und du hast die Menschen berührt, ganz tief in ihrem Innersten."

Die Beisetzung findet am Freitag, 31. Juli 2015, um 14 Uhr auf dem ev. Friedhof in Iserlohn-Hennen statt. Bitte seht uns nach, dass wir keine Beileidsbekundungen am Grab möchten. Vianne mochte kein schwarz, deshalb dürft ihr getrost in lebensfrohen Farben kommen. Anstelle von Blumen bitten wir um eine Spende an den Elterntreff für leukämie- und tumorerkrankte Kinder e.V. Dortmund IBAN: DE81 4405 0199 0001 0493 72 BIC: DORTDE33XXX

Nicole und Michael mit Jesse, Luke, Ada und Vianne im Herzen

Rückblick! Der letzte Urlaub...

27. Juni - 9. Juli 2015 



Ja, es war unser letzter gemeinsamer Urlaub zu sechst - umso wichtiger ist es mir, darüber zu berichten.

Samstag, 27. Juni

Wir machten wir uns bereits um sieben Uhr morgens mit unserem bis in den hintersten Winkel vollgeproppten Bulli auf den Weg Richtung Heidelberg. Wir hatten entschieden, Erivedge nicht weiter zu verabreichen. Mittlerweile hatten wir uns eingestanden, dass es keine Wirkung zeigt. Warum sollten wir unsere Maus also weiter mit der Gabe belasten - und dann auch noch im Urlaub. Wir zogen einen Schlussstrich, schweren Herzens.

Wir kamen gut durch und trudelten schon gegen zehn Uhr morgens bei Martin und Petra ein - ein fröhliches Wiedersehen. Vianne ging es ganz gut, obwohl sie sich noch am Vortag erbrochen hatte. Wir frühstückten ausgiebig und Vianne futterte sogar ein Brötchen - ein gutes Zeichen. Später holte Micha das Wohnmobil ab und wir luden alles um. Wegen eines Konzerts am Hockenheimring waren alle Campingplätze in der Nähe restlos ausgebucht, also folgten wir kurzerhand dem Vorschlag unserer Freunde, direkt vor ihrem Haus zu campieren, zudem uns das Wetter einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machte, so dass ans Wakeboarden nicht zu denken war. Erst gab's ein kräftiges Gewitter, dann einen wahren Wolkenbruch. Egal, denn nach und nach kamen Andi und Ralf, die sich auf dem Rückweg von ihrem Wohnmobil-Urlaub befanden und Frank, ein weiterer enger Freund mit seinem Sohn, bei Martin und Petra an. Es war so schön, sie alle um uns zu haben, es war so leicht und unbeschwert, all den Ängsten und Sorgen und Nöten zum Trotz. Nachdem sich der Regen verzogen hatte, machten wir Mädels uns mit den Kindern auf den Weg zu einem nahe gelegenen Abenteuerspielplatz. Ada und Luke kletterten hoch hinaus, Vianne entdeckte eine riesige Matschpfütze, in der bereits zwei weitere Kinder planschten, zog sich bis aufs Unterhöschen aus und stapfte fröhlich mittendurch. Später stärkte sie sich mit einer fetten Portion Pommes mit Majo und Ketchup (die sie ab da fast täglich einforderte - und bekam). Gut gelaunt kehrten wir irgendwann zurück. Ada und Vianne entspannten bei einem Fußbad, und wir Großen schmissen den Grill an. Vianne legte anschließend eine kleine Verschnaufpause ein. Der ausgefüllte Tag forderte seinen Tribut. Viel später am Abend kuschelten sich die Kinder ins Wohnmobil, während wir Erwachsenen noch lange gemütlich auf Terrasse zusammen saßen - zumindest bis Martin sich mit dem Beil in den Finger hackte (keine Sorge, alles gut).

Am nächsten Morgen strahlte die Sonne vom Himmel und wir fuhren alle gemeinsam an den St. Leoner See zum Wakeboarden und Baden. Wir konnten uns später am Tag nur schwer von unseren Freunden und von Andi und Ralf trennen, auch wenn es uns andererseits weiterzog. Aber ab jetzt wären wir auf uns allein gestellt - und eine stille Angst schlich sich in unsere Herzen.

Sonntag, 28. Juni - Montag, 29. Juni

Knapp vier Stunden später - am frühen Abend - trafen wir in Lindau am Bodensee ein. Wir bekamen einen schönen Stellplatz mit Blick auf den See. Ada und Vianne spielten "Pferdchen" und galoppierten ausgelassen durch den Sand des nahe gelegenen Beach-Volleyballfeldes. Luke, Jesse, Micha und ich spielten Federball. Auf einem Stück Treibholz reihten Vianne, Ada und Luke etliche Muscheln auf, die sie am Ufer gefunden hatten. Luke erschuf ein kleines Kunstwerk. Früh am nächsten Morgen überfiel Vianne wieder die Übelkeit. Noch während die anderen Kinder schliefen, erbrach sie sich und hatte Kopfschmerzen. Sie wirkte den Vormittag über schlapp, wollte nicht baden, nicht

spielen, aber sie erholte sich langsam wieder, obwohl ihr die Hitze zu schaffen machte. Es waren über 30 Grad Celsius, so dass ihre Geschwister im Bodensee Abkühlung suchten. Vianne hatte es sich auf einer Decke im Schatten der Bäume gemütlich gemacht und löste mit mir kleine Rätselaufgaben aus der neuen Tinkerbell-Feendose, die sie von Oma und Opa geschenkt bekommen hatte.

Am Nachmittag machten wir uns zu Fuß (Vianne saß im Buggy) auf nach Lindau, immer am See entlang. Irgendwie hatten wir die Entfernung zwischen Campingplatz und Lindau-Insel unterschätzt. Es waren doch  etwas über vier Kilometer Fußmarsch - und das bei diesen schwülen Temperaturen. Vianne schlummerte in ihrem Buggy, wir anderen hielten tapfer durch, schwitzten und hatten letztendlich kaum noch Lust, das Örtchen anzuschauen. So landeten wir in einem Biergarten. Kurz darauf wurde Vianne wach und futterte Pommes - und ließ die Spatzen eifrig mitfuttern. Zurück fuhren wir allerdings mit dem Bus. Am Abend betrachteten wir einen wirklich schönen Sonnenuntergang am See. Nach einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns am nächsten Tag gegen Mittag auf den Weg zum Hopfensee im Allgäu.

Fortsetzung folgt!





Echtzeit! Feenschleier



Freitag, 24. Juli 2015 - 0.45 Uhr


Die letzten Stunden gehören nur uns. Jetzt sind Feenschleier am Nachthimmel. Ihr Herz schlägt nicht mehr. Und ich spüre mein Herz nicht mehr...


Echtzeit! So weit weg



Dienstag, 21. Juli 2015


Wir erreichen Vianne kaum noch - ab und zu nickt sie fast unmerklich oder schüttelt ganz sacht das Köpfchen. Ihre Worte sind verloren - sie findet sie nicht mehr, setzt an, versucht sich mit ihrer letzten verbliebenen Kraft zu konzentrieren und sackt völlig fertig in sich zusammen. Nach ein, zwei dieser kraftraubenden und zermürbenden Versuche hat sie jetzt das Sprechen eingestellt. Ich vermisse ihre Stimme so sehr, ihr Kichern. Wie gerne würde ich sie wieder munter drauflos plappern hören. Gestern ist sie noch einmal kurz aufgetaucht und hat mit Ada plötzlich gemeinsam "Hänsel und Gretel" und "Der Kuckuck und der Esel"  gesungen. Wir waren total erstaunt. Aber scheinbar wird das Singen über eine andere Hirnregion als das Sprechen gesteuert. Anschließend versank sie wieder.

Wir wissen noch nicht einmal mehr, ob es ihr soweit ganz gut geht, ob sie Schmerzen, Hunger, Durst hat. Wir wissen nicht mehr wohin mit unserem Schmerz. Hin und wieder gehe ich laufen - und laufe vor mir davon. Die körperliche Anstrengung tut gut. In der Nacht von Samstag auf Sonntag hatte Vianne eine weitere Schmerzattacke - wir haben drei Zusatzdosen Morphin innerhalb von einer Stunde geben müssen, bevor wir den Schmerz im Griff hatten. Seitdem geht es wieder.

Die Kinder brechen langsam ein, wir brechen langsam ein. Gestern spielte Ada sehr ausgiebig im Kinderzimmer - und sie hatte sich auch etliche Spielsachen von Vianne genommen, sie aber später in irgendeiner Ecke scheinbar achtlos liegengelassen. Ich wurde wütend, schnauzte sie an, ob sie überhaupt gefragt hätte, war außer mir vor Schmerz und Wut und Hilflosigkeit. Später entschuldigte ich mich und wir räumten gemeinsam auf. "Ich vermisse Vianne", sagte Ada. Sie hatte auf Viannes Bett die Bilder ausgebreitet, die Vianne und sie am letzten Kindergartentag vor den Ferien mitbekommen hatten. Es waren gemalte Bilder der letzten Wochen, die sie noch in ihrem Kindergartenfach liegen hatten. Als wir die Tüten mit den Malbildern mit nach Hause bekommen haben, hatte ich sie erst mal oben in den Abstellraum gelegt. Ada muss sie sich von dort geholt haben - ich hatte es zwischenzeitlich schon wieder vergessen. Ich saß auf Viannes Bett und schaute mir die Bilder an. Es sind ihre letzten Bilder... sie wird uns nie wieder Bilder malen...

Abends wollte Luke dann mit uns sprechen. Er wollte wissen, wann. Er wollte wissen, warum. Er wollte wissen, was danach ist. Er wollte wissen, ob es nicht doch noch ein Medikament für Vianne gibt. Bis auf die letzte Frage hatte ich keine Antworten. Er weinte und meinte: "Jetzt kann nie wieder mit Vianne  spielen." Nie wieder...

Andi und Ralf sind ganz oft bei uns. Sie sind der Fels. Sie sind für mich die Helden im Hintergrund, ähnlich wie Sam für Frodo in "Herr der Ringe". Ohne ihn hätte er nicht bis zum Ende durchgehalten. Auch Uli ist für uns so ein Hoffnungsträger. Sie kommt heute Abend und bleibt für eine Nacht und einen halben Tag mit Loulou. Vianne hat uns noch mitteilen können, dass sie sich darauf freut.